Lernen und Heilen

Es ist nahe liegend, dass es in der Schule des Seins etwas zu lernen gibt. Aber ist diese Schule auch heilsam? Kann Lernen heilen?

RegenbogenLernen und Heilen haben mehr miteinander zu tun als auf den ersten Blick ersichtlich:
• Lernen ist angezeigt, wenn wir etwas nicht wissen oder können, was wir zum Leben oder für unsere Entwicklung brauchen.
• Heilung suchen wir, wenn wir krank oder verletzt sind.
Es sieht also zunächst so aus, als hätten die beiden nicht viel gemeinsam. Schließlich ist es keine Krankheit, etwas nicht zu wissen oder zu können. Oder doch?

In gewisser Weise ist es eine Krankheit oder zumindest die Folge lang andauernder psychischer Misshandlung oder Verletzung, wenn Menschen im Laufe ihrer Entwicklung die Fähigkeit verlieren, mit Freude und Genuss zu lernen oder schlicht offen und neugierig zu sein. Diese Fähigkeit ist jedem Baby mitgegeben. Wenn es in einer empathischen und unterstützenden Umgebung aufwächst, wird diese Fähigkeit stets weiter zunehmen. Es ist eine Freude Kindern dabei zuzusehen, mit wie viel Engagement und Enthusiasmus sie sich neue Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen. Sie fragen ihren Eltern die berühmten Löcher in den Bauch, und sie geben nicht auf, bis sie eine ihrem Alter gemäße Herausforderung gemeistert haben, sei es nun zu krabbeln oder zu laufen, zu sprechen oder einen Turm aus Bauklötzen zu bauen.

Doch dann geschieht etwas, das uns die Freude am Lernen verleidet. Anstatt in unserer Neugier gespiegelt und ermutigt zu werden, wird sie uns abtrainiert, sobald sie sich auf etwas richtet, was unseren Eltern oder Erziehungspersonen unpassend erscheint oder nur einfach lästig ist. Und dann wird uns mehr und mehr beigebracht, worauf sich unser Interesse zu richten habe. Wenn wir davon nicht begeistert sind, dann beginnt die klassische Konditionierung mit Belohnung und Bestrafung, oft offensichtlich, noch öfter jedoch subtil und auf eine Weise, gegen die sich das Kind in keiner Weise wehren kann. Das mehr oder weniger an liebevoller Zuwendung ist die machtvolle Währung, in der für Wohlverhalten bezahlt wird. Allzu oft merken Eltern selbst nicht, was sie da tun. Sie haben es selbst nie anders erfahren.

EinschulungSpätestens mit der Einschulung ist dann die Zeit des unbekümmerten Spielens vorbei und wir sind einer tagtäglichen Atmosphäre von Druck und Zwang ausgeliefert. Allein das stundenlange Stillsitzen ist für Kinder eine Qual und kann nur gelingen, wenn eine erfolgreiche Dressur durchlaufen wird. Kinder, die daran scheitern und weiterhin ihrem Bewegungsdrang Ausdruck geben, gelten als gestört, bekommen die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verpasst und werden behandelt. Immer häufiger werden sie mit Psychopharmaka ruhig gestellt.

Diese Vorgänge sind nur die Spitze des Eisbergs, in den unsere Neugier immer wieder schockgefroren wurde. Wir wurden dazu angehalten zu lernen, was wir nach bestandener Prüfung nicht schnell genug wieder vergessen können. Da blieb gar nicht mehr viel Zeit, allzu neugierig auf Dinge zu sein, die uns nach Meinung der Erwachsenen nichts angehen oder nicht gut für uns sind. Wenn wir doch noch allzu forsch unsere Nase in Dinge gesteckt haben, die unsere Eltern für unpassend hielten, dann wurde wir mit Sätzen wie: „Lass die Finger davon!“ oder „Dafür bist du noch zu klein!“ davon abgebracht. „Nur zu deinem Besten“, hieß es dann. Aber die wunderbare, unschuldige Neugier, mit der wir auf die Welt gekommen sind, die zog sich mehr und mehr zurück.
In der Pubertät bekam unsere Neugier noch mal einen Schub, unseren Hormonen sei Dank. Doch auch in unserer erwachenden Sexualität bekamen wir meist mehr Warnungen und Verbote zu hören als Unterstützung. Wenn sie denn überhaupt Aufmerksamkeit bekam. Sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene wird inzwischen gesellschaftlich geächtet und juristisch verfolgt. Von einem Verständnis dessen, was eine altersgemäße und gesunde Sexualentwicklung fördert oder worin diese überhaupt besteht, ist unsere Kultur jedoch noch Lichtjahre entfernt. Es ist ein Wunder, dass die Diskrepanz zwischen schulischen Lerndruck und erwachender Sexualität nicht mehr Pubertierende in den Wahnsinn treibt. Jugendliche haben auch heute noch wenig Raum und kaum einfühlsame Unterstützung für ihre ersten erotischen Gehversuche, bei gleichzeitiger Überflutung durch eine pornographisch überreizte Medienlandschaft. Doch sie geben nicht auf. Kinder können enorm viele Verletzungen wegstecken und überleben. Aber die Narben und Nachwirkungen bleiben erhalten und kommen oft Jahre oder Jahrzehnte später wieder zum Vorschein. Bis dahin eitern sie unter der Oberfläche vor sich hin, absorbieren einen großen Teil unserer Lebensenergie und blockieren unsere wesensmäßige Neugier.

Schule aufzeigenVieles, was wir früher unter widrigen Umständen gelernt haben, hat uns sehr verletzt, selbst wenn die Inhalte und Fähigkeiten von Wert gewesen sein sollten. Es hat unser Vertrauen untergraben, dass wir mit Freude und Genuss lernen können, und dass es sich manchmal lohnt, für die Freude und den Genuss eines Lernerfolges freiwillig und aus innerem Antrieb Mühen auf sich zu nehmen. Statt dessen lernten wir, unseren Dienst nach Vorschrift möglichst so zu optimieren, dass noch genügend Zeit bleibt, uns von dessen Folgen in der so genannten Freizeit wieder zu erholen.

Eine Schule des Seins ist darauf ausgerichtet das zu lernen, wonach wir uns wirklich sehnen. Sie achtet dabei darauf, wer wir in unserem Wesen sind. Sie kann nur nachhaltigen Erfolg haben, wenn sie sich auch der Aufgabe stellt, frühere Verletzungen durch wesensfeindliche Lernbedingungen zu heilen. Wo dies nicht mehr vollständig möglich ist, gilt es, die Wunden mit Achtsamkeit und Empathie zu versorgen. Sie bleiben vielleicht Teil unseres Lebens, aber sie müssen nicht mehr dem im Wege stehen, was uns wirklich am Herzen liegt.

Was bedeutet Heilung in diesem Zusammenhang? Heilung bedeutet in erster Linie die Fähigkeit wieder herzustellen, am Leben in seinen wichtigen Dimensionen teilzunehmen, aus eigenem Antrieb und in Kontakt mit dem eigenen Wesen und den eigenen Werten. Es bedeutet, einen Raum zu erschaffen, in dem Lernen seinen ursprünglich bereichernden und erfüllenden Charakter offenbaren kann. In diesem Raum wird jeder ermutigt und unterstützt, sich selbst, seinen eigenen Gedanken und Gefühlen, seinen eigenen Wünschen und Sehnsüchten, aber auch seinem eigenen Schmerzen und seinen Hindernissen auf die Spur zu kommen und damit seinem eigenen Sein.
Heilung bedeutet hier nicht die Beseitigung von Störungen und Defiziten. Heilung bedeutet, die eigenen Störungen und Defizite als das anzunehmen, was sie sind, als Folgen früherer Verletzungen. Heilung wird angeregt durch Empathie und maßvolle Herausforderung, Verantwortung für das Leben zu übernehmen, das wir wirklich leben wollen und das unserem Wesen entspricht. Wir dürfen dies Tag für Tag neu entdecken.

Solange wir uns nicht des Ausmaßes unserer Verletzungen gewahr geworden sind und uns nicht bewusst ist, in wieweit wir nicht unser eigenes Leben leben, sondern was andere oder der kulturelle MedizinMainstream für uns vorgesehen haben, solange sind wir nicht in der Lage, Verantwortung für uns zu übernehmen und für die Gemeinschaft, in der wir leben. Wenn wir unter diesen entfremdeten Bedingungen etwas lernen, dann ist dies zumeist geprägt von Überlebensstrategien. Wir lernen uns von dem Schmerz der Entfremdung und letztlich von uns selbst abzulenken.
Wir leben in einer Kultur von Überlebens-, Vermeidungs- und Ablenkungskünsten. Wir könnten es auch Ablenkungsindustrie nennen. Uns dem zuzuwenden, was wirklich wesentlich ist und unser Herz in seinem Kern berührt, das braucht unsere Bereitschaft und unsere Fähigkeit
• das ganze Spektrum unserer Gefühle zu fühlen,
• unsere Gedanken zu beobachten und die Identifikationen mit unseren Gedanken zu lösen und
• heraus zu finden, wie wir selbst – jenseits unserer Konditionierungen – die Wahl treffen können, wohin unsere Lebensreise gehen möge.
Diese Bereitschaft und die dazu gehörenden Fähigkeiten wieder zu entdecken, ist zugleich ein Lern- und ein Heilprozess.

In der Schule des Seins liegen Heilen und Lernen nahe beieinander und gehen Hand in Hand. Unser Dasein ist ein dynamischer Prozess, in dem wir uns permanent weiterentwickeln. Wenn dieser Prozess unterbrochen ist, dann sind es Lernen und Heilen, die ihn wieder in Gang bringen. Was wir für ein freudiges Lernen und einen tiefen inneren Heilungsprozess brauchen, ist ähnlich: für beides brauchen wir eine Atmosphäre, in der wir ermutigt werden, uns so anzunehmen, wie wir sind. Auf der Basis unserer wachsenden Liebe für uns selbst entwickeln wir Vertrauen, dass unser So-Sein Wert hat und auch entsprechend wertgeschätzt wird. Um ein solcherart heilendes und im besten Sinne lehrreiches Umfeld zu schaffen, brauchen wir vor allem eins: Vertrauen in das, was ist. Da dieses Vertrauen bei den meisten Menschen massiv gestört wurde, gehört es zur Qualifikation der dieses Umfeld gestaltenden Lehrer und Therapeuten, sich selbst auf dieses Vertrauens hin ausrichten zu können und diese Qualität vor allem dann einzubringen, wenn ihr gerade nicht vertraut wird.

Schule istVerletzungen haben unsere Fähigkeit untergraben, aus frischer Neugier heraus das zu lernen, was uns wirklich angeht. Wir haben gelernt, unserer Neugier und dem Lernen selbst zu misstrauen. Eine Schule des Seins hilft, diese Verletzungen und ihre Folgen zu heilen. Sie unterstützt in Form und Inhalt Lernen, das unsere unmittelbare Neugier auf das Leben in allen seinen Facetten stimuliert und die Abenteuer unseres eigenen Lebensweges ermutigt. Auf diese Weise kann Lernen also tatsächlich heilsam sein.
So kann sich auch die Freude am Lernen wieder einstellen, die wir als kleine Kinder bereits gekannt haben und zu der wir mit etwas Mut und Bereitschaft wieder Zugang finden können. Mit Freude zu lernen ist heilsam, und ganzheitliches Heilen lässt uns Wesentliches lernen.
Unsere Bereitschaft nicht zu wissen, bringt uns in Kontakt mit unserer Fähigkeit, loszulassen, was unserer Entwicklung im Weg steht, und uns offen auf das einzulassen, was es Spannendes zu entdecken gibt. Denn das Leben ist voller Geheimnisse, deren Erkundung uns in unserem Kern zu berühren und zu beglücken vermag.

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Bildnachweis: 1-4: Pixelio
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